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Central-Computing-Architekturen

Traditionell verfügen Pkw, Fahrzeuge und Bahnen über zahlreiche verteilte elektronische Steuergeräte (ECUs), die jeweils spezifische Funktionen wie Motorsteuerung, Bremsen, Infotainment oder Fahrerassistenzsysteme übernehmen. In 2024 kehrt sich jedoch der Trend um - von verteilten Systemen mit zahlreichen ECUs hin zu zentralen Architekturen, die mit Mehrkern-Systemen Funktionen auf Sensorik und Aktuatorik direkt verteilen.

Die zentrale Motivation hinter Central Computing ist auf drei Aspekte zurückzuführen.

Erstens führt die erhöhte Komplexität auf Dutzende Steuergeräte verteilter Funktionen unweigerlich zu insgesamt höheren Kosten. Bei über 100 Steuergeräten in modernen Mittel- und Oberklasse-Fahrzeugen machen diese einen entscheidenden Unterschied hinsichtlich der Preissensitivität von Fahrzeugen.

Zweitens führen gestiegene Erwartungen der OEM an ihre Software-Applikation langfristig dazu, dass das klassische Modell der Arbeitsteilung zwischen OEM und Tier-1 nicht vollends ausreicht. Kundenfunktionen müssen den User schneller erreichen. Ein Stichwort, Software Defined Vehicle, bestätigt den Trend hin zu zentralistischen Geschäftsmodellen, bei denen OEMs eigene Software-Konzerne bilden.

Drittens und damit verbunden reduzieren Central-Computing-Systeme die Time-To-Market für Hersteller mitunter deutlich. So können entstehen um Zentralcomputer herum Plattformen, die mit Blick auf die aktuellen und zukünftigen Anforderungen von Assistenzsystemen und AI eine Future-Proof-Architektur darstellen können.

Auch wenn der Eindruck entstehen mag, dass dies ein Problem der Automobilindustrie sei, ist Central Computing ein globaler Trend. Die Automobilindustrie verspürt diesen Druck durch wachsende Konkurrenz aus den USA und Asien als erstes. Allerdings wird Central Computing in der Industrie wie auch in Bahnen, Flugzeugen und der kritischen Infrastruktur zunehmend von Bedeutung, da die Vorteile hier gleichermaßen gelten.

 

Controller-Architekturen für Central Computing

Als schemenhafte Darstellung soll die folgende Abbildung eine mögliche Controller-Architektur beschreiben. Die Rechenkerne werden in unterschiedliche Domänen aufgeteilt, die jeweils exklusive Schnittstellen vorweisen.

 

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Aufteilung der SoC-Cores auf spezifische Fahrzeug-Domänen

 

Body & Comfort Domain: Insbesondere die Komfort- und Karosseriefunktionen sind Teil besonderen Interesses für viele Hersteller. Diese Funktionen erfordern in der Regel niedrige Latenzzeiten. Typische Bussysteme sind CAN und LIN. Gerade LIN mit seiner Master-Slave-Systematik zur Steuerung von Komfort-Aktuatorik wie Luftklappen, Fensterhebern oder Scheibenwischern spielt dabei eine besondere Rolle in der Aggregation von Kundenfeatures.

Dynamics & Safety Domain: Auch hier sind RISC-Controller im Einsatz, mitunter in Lockstep-Konfiguration, um funktionale Sicherheit und Redundanz darzustellen. Diese Domäne ist für sicherheitskritische Funktionen verantwortlich. Insbesondere mit dem Blick auf Fahrerassistenzsysteme kommen hier harte Echtzeitanforderungen zum Tragen.

Application & User Domain: In dieser Domäne können leistungsstärkere Prozessorkerne eingesetzt werden, die für die Ausführung komplexerer und multimedialer Anwendungssoftware vorgesehen sind. Diese Domäne ist zentral für Informations- und Navigationssysteme gedacht und kann mitunter Schnittstellen zu Displays oder Kamerasystemen haben.

OTA Domain (Over-The-Air): Diese Domäne ermöglicht eine drahtlose Schnittstelle, zum Beispiel für neue Software und Sicherheitsupdates. Zudem werden über die angeschlossene Telemetrie und LTE-Schnittstelle Daten für Diagnose- und Wartungszwecke übertragen. Zudem können, je nach Modul, Vehicle-to-X-Funktionen mit der drahtlosen Cellular-LTE-Schnittstelle integriert sein.

Eine SoC-Lösung bietet entscheidende Vorteile gegenüber der Verteilung von Funktionen auf mehrere separate Chips. Eine der größten Stärken liegt in der integrierten Inter-Processor Communication (IPC). Im Gegensatz dazu müssen bei der Verwendung separater Chips externe physikalische Schnittstellen wie Port-RAMs, UART, (Quad- oder Octal) SPI oder I2C genutzt werden, was zu höherer Latenz und geringerem Datendurchsatz führt. Die interne Kommunikation innerhalb eines SoC ist deutlich schneller und ermöglicht eine verbesserte Gesamtleistung und Reaktionsfähigkeit des Systems.

Ein weiterer Vorteil ist der gemeinsame Zugriff auf Peripheriegeräte und Speicherressourcen. In einem SoC können mehrere Prozessorkerne direkt auf diese gemeinsamen Ressourcen zugreifen. Bei separaten Chips erfordert der Zugriff auf gemeinsame Peripheriegeräte oft aufwendige und langsame Protokolle, die die Systemleistung beeinträchtigen.

Darüber hinaus bietet eine SoC-Lösung eine höhere Zuverlässigkeit, die in den meisten Fällen durch gemeinsame Error-Signaling-Module auch für funktionale Sicherheit sorgt. Eine eng integrierte Architektur ermöglicht eine bessere Implementierung von Sicherheitsfunktionen, da sicherheitskritische Komponenten und Kommunikationswege innerhalb des Chips besser ausgenutzt werden. 

Funktionales Layout

Im Funktionalen Layout würde ein Central Computer direkt mit Aktuatoren und Motoren kommunizieren. Der Central Computer als Hauptsteuerungseinheit fungiert kommuniziert dann mit ECUs auf Basis spezialisierter Chips angeschlossen, die jeweils spezifische Aufgaben übernehmen und auf den UseCase getaylort sind.

 

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Funktionales Layout eines Central Computers im Auto

 

Dies steht im Kontrast zu aktuellen Architekturen mit zahlreichen unterschiedlichen ECUs, die auf generalistische Controller wie ARM Cortex M4 und M7 sowie MCU-Software und AUTOSAR-Stacks setzen.

Zone-Gateways können zur Verteilung der CAN-Kommunikation eingesetzt werden und so den Datenaustausch auf Fahrzeugbereiche ermöglichen. Motor Controller, die mit programmierbaren LIN-Motortreibern ausgestattet sind, sorgen für Steuerung der Motorfunktionen. Direkt angeschlossene Aktuatoren, wie Pumpen, Kompressoren oder Heizsysteme, ermöglichen eine schnelle und direkte Umsetzung von Steuerbefehlen ohne zusätzliche Latenz durch externe Schnittstellen.

 

Hersteller und Module

NXP S32G3
Der NXP S32G3 ist ein leistungsfähiger Multicore-Prozessor, der speziell für Automotive-Anwendungen entwickelt wurde. Er verfügt über vier ARM Cortex-M7 Kerne, die in einer Lockstep-Konfiguration arbeiten. Laut Hersteller ist der S32G3 ist besonders geeignet für die zentrale Konsolidierung von Steuer-, Management- und Serviceprozessen in Fahrzeugen.

NXP S32N
Der NXP S32N ist derzeit in der Vorproduktion und wurde speziell für den Einsatz in Central Computing Anwendungen entwickelt. Dieser Prozessor ist für die Anforderungen der Konsolidierung von verschiedenen Fahrzeugfunktionen auf einem einzigen Chip ausgelegt. Mit hoher Rechenleistung adressiert der S32N die Bedürfnisse moderner, softwaredefinierter Fahrzeuge.

TI AM571x
Der Texas Instruments AM571x ist ein reiferer Multicore-Prozessor. Obwohl er nur über zwei Kerne verfügt, kann er prinzipiell für Central Computing Anwendungen genutzt werden, insbesondere in Szenarien mit geringeren Anforderungen an die Rechenleistung. Der AM571x eignet sich gut für die Steuerung von Komfort- und Karosseriefunktionen sowie für einige vernetzte Anwendungen innerhalb des Fahrzeugs.

TI DRA829
Aus der Jacinto-Reihe kommend erfüllt der TI DRA829 viele Anforderungen, die an Central Computing in Fahrzeugen gestellt werden. Dieser Prozessor bietet eine hohe Rechenleistung und flexible Schnittstellen, die es ermöglichen, verschiedene Fahrzeugfunktionen auf einem zentralen Chip zu konsolidieren. 

TI TDA4
Der TI TDA4 könnte speziell für Anwendungen im Bereich Fahrerassistenzsysteme angewendet werden. Mit seiner hohen Rechenleistung und speziellen Beschleunigern für maschinelles Lernen und Bildverarbeitung ist der TDA4 ideal für die Verarbeitung von Sensordaten und die Ausführung von Algorithmen, die für autonome Fahrfunktionen benötigt werden. Dieser Prozessor kann auch in Central Computing Architekturen integriert werden, um ADAS-Funktionen effizient zu konsolidieren und zu verwalten.

Diese Beispiele für Multicore-Prozessoren zeigen die Vielfalt der verfügbaren Lösungen, die für Central Computing in modernen Fahrzeugen geeignet sind. Sie bieten verschiedene Leistungsniveaus und Spezialisierungen, die es ermöglichen, die spezifischen Anforderungen der unterschiedlichen Fahrzeugdomänen zu erfüllen.

 

Zusammenfassung

Insgesamt zeigt der Trend des Central Computing im Kontext der modernen Mobilität die erheblichen Vorteile und einen technologischen Ausblick auf eine integrierte Fahrzeugarchitektur. Die Konsolidierung von Steuer-, Management- und Serviceprozessen in einem zentralen Rechensystem bietet reduzierte Komplexität, geringere Kosten und erhöhte Flexibilität. Die Treiber, die Multicore-Prozessoren sind bereits vorhanden und stellen durch reife Technologien wie Inter-Processor Communication, gemeinsamen Peripheriezugriff und eine optimierte Nutzung von Ressourcen verbesserte Leistung und Effizienz. Eine SoC-Lösung ist dabei die beste Wahl  da sie die Vorteile einer sicheren Datenverarbeitung bietet.

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